Die Frage, „wie wirke ich auf andere“ stellen sich viele von uns unbewusst ständig. Dabei geht es viel mehr darum, sich erst mal selbst zu kennen und die Antworten auf die Frage „wer bin ich“ zu kennen. Mit diesem Abgleich des Selbst- und Fremdbildes kann ein authentisches Auftreten erst stattfinden. Mit der Johari Methode, die du in diesem Artikel kennenlernen wirst, kannst du genau dies erarbeiten.
Feedback von der Familie
Letztens habe ich mit meinem Bruder über die Planung für Weihnachten und Skifahren gesprochen. Wir haben eine sehr tiefe und gute Beziehung und können immer alles ansprechen. Im Gespräch ging es auch darum, wie unsere gemeinsame Dynamik früher war und wie diese uns heute auch noch beeinflusst.
Ich war, auch aufgrund der 4,5 Jahre Unterschied, immer die lautere, die „Macherin“ von uns beiden. Dies bedeutete auch in Situationen mit Familie und gemeinsamen Freunden, dass ich immer etwas zu sagen hatte. Mein Bruder spielte mir dann zurück, dass ich früher, aufgrund meiner sehr „zackigen“, schnellen Art und Entscheidungsfreude deswegen manchmal die Meinungen anderer nicht anhörte. Ich dachte dabei immer, dass es ihnen hilft, wenn jemand alles in die Hand nimmt. Das sind sicherlich auch Prägungen aus der Kindheit, allerdings war eine Sache hier umso wichtiger:
Nur nachdem mir das zurückgespielt wurde, konnte ich anders agieren und reagieren. Dieses sogenannte Fremdbild kennen wir in der Arbeitswelt, welches wir auch in Form von verschiedenen Arten von Feedback erhalten. Dies bedeutet schlussendlich, dass diese Form von Fremdbild auch mein Selbstbild erweitert. Demnach kann ich mich heute auch viel besser in Geduld üben und frage erst mal nach den Meinungen oder, ob jemand die Organisation zum Beispiel übernehmen möchte.
Selbst- und Fremdbild sind wichtige Austauschfaktoren, die uns helfen, uns selbst besser zu verstehen und damit auch gegebenenfalls zu regulieren.
Einsatz in Training und im Coaching
In meinen Team- und Businesstrainings für Self-Leadership, Kompetenzaufbau, emotionale Intelligenz und Resilienz, wende ich diese Methode oft an. Sie unterstützt nicht nur dabei, das Bewusstsein jedes Einzelnen zu erweitern, sondern dadurch Vertrauen und Offenheit im Team aufzubauen.
Denn je mehr sich das Team kennt, desto besser können Aufgaben verteilt, transparenter kommuniziert und effektiver mit Blick auf das Ziel zusammen gearbeitet werden.
Die Johari Methode
1955 haben Joseph Luft und Harry Ingham die Methode „Johari Fenster“ entwickelt. Die Bezeichnung entspringt aus den Gründernamen.
Die Methode besteht aus vier Quadranten, um darin Bewusstsein über sich durch sich und andere aufzubauen und zu strukturieren. (siehe Bild unten)
Man erarbeitet pro Quadrant jeweils Eigenschaften, Verhalten, Überzeugungen, Teile der Persönlichkeit oder Einstellungen.
- Wenn sie einem und allen anderen bekannt sind. Dies nennt sich „Übereinstimmung“.
- Wenn sie nur mir bekannt, aber öffentlich nicht bekannt sind, sind das die Geheimnisse.
- Dinge, die andere an einem wahrnehmen, einem selbst aber nicht bewusst sind, nennt sich Blind Spot
- Und dann gibt es noch das Fenster mir unbekannt und anderen auch. Das können Dinge sein, die über die Zeit noch erkannt werden.
Anwendung der Reflexionsmethode
Um als Team bestmöglich gemeinsam zu arbeiten oder um mit Freunden, Partner:innen oder Familie bewusster umzugehen, starten wir damit, erst mal uns selbst besser kennenzulernen.
Ziel ist es, Wissen über das Unbekannte zu erhalten, um dies, je nach persönlichem Vertrauen, auch zu veröffentlichen, damit letztendlich Selbst- und Fremdbild übereinstimmt. Dies führt zu mehr Authentizität und Nahbarkeit, Konsens, Vertrauen und besserer Zusammenarbeit.
Folgende vier „Fenster“ können wir identifizieren:
- Öffentlich (mir und anderen bekannt)
Selbstbild und Fremdbild stimmen überein. Freies und offen sichtbares Handeln ist hier möglich. Du erzählst oder handelst offensichtlich. Dies sind Fähigkeiten, Teile der Persönlichkeit, Werte und Einstellungen. Je mehr sich ein Team kennt, desto größer wird dieser Bereich.
Beispiele:
- Du ernährst dich vegetarisch.
- Präsentieren fällt dir leicht.
- Du hast starke analytische Fähigkeiten.
2) Geheimnisse (nur mir bekannt)
In diesen Bereich fallen alle Dinge, die dir bewusst sind, anderen aber verborgen bleiben. Das kann der Arbeitsbeziehung bzw. wenig Zeit miteinander geschuldet sein oder kann aufgrund von wenig Vertrauen oder Unsicherheiten anderen verborgen werden. Das können zum Beispiel Wertvorstellungen, religiöse Ansichten, intime Wünsche oder Ängste sein.
Beispiele:
- Angst, den Job zu verlieren.
- Eine vorhandene Lese-Rechtschreibschwäche.
- Angst vor sozialer Ablehnung.
3) Blinder Fleck (nur anderen bekannt)
Der blinde Fleck bezeichnet all jene Eigenschaften oder Fähigkeiten, die dir selbst gar nicht bewusst sind, die andere aber sehr wohl an dir wahrnehmen.
Beispiele:
- Du wirkst auf andere unempathisch oder dominant.
- Vorurteile gegenüber anderen Menschen.
- Sehr gute Fähigkeiten, die du nur als durchschnittlich einschätzt.
4) Unentdecktes
Dieser Teil beschreibt Talente oder Einstellungen, die bisher allen und dir selbst verborgen blieben. Dieser Bereich ist schwer zu beschreiben, da es hier unbewusste Bereiche gibt, die potenziell über Übungen oder Zeit erst entdeckt werden. Dann wandern sie in das Feld Geheimnis und, wenn öffentlich gemacht, weiter in das erste Fenster. Je mehr Reflexion stattfindet, desto mehr können wir diesen Teil entdecken.
Beispiel:
- Ein unentdecktes Talent für Musik.
- Verborgene Führungsqualitäten.
- Unbekannte künstlerische Begabung.
Wie du die Johari Methode anwendest
- Sammle 5-6 Adjektive, Verhalten, etc., die dich beschreiben und du deinem „öffentlichen“ Bild passen und trage diese in deinen Quadranten links oben ein.
- Wiederhole dies für die „Geheimnisse“. Du kannst dich fragen, warum du dies als „Geheimnis“ ansiehst. Und warum es andere nicht wissen sollen/dürfen.
- Vielleicht fällt dir bei dieser Übung etwas „Unentdecktes“ auf, ergänze dies.
- Frage Familie oder Freunde oder sogar Kolleg:innen, ob sie dir auch 5-6 Adjektive, Verhalten, Einstellungen oder Überzeugungen über dich schicken können. Trage diese dann auch ein. Wenn sie dir bekannt sind, dann in das Fenster links oben und sonst in den „Blind Spot“.
Letztendlich streben wir danach, Selbstbild und Fremdbild übereinstimmen zu lassen und die meisten Informationen in das linke Fenster wandern zu lassen. Dies macht ein authentisches Bild aus und hilft dabei, dass man sich offen zeigt. Das kann auch das Umfeld „entspannen“ und verbindet miteinander.
Und, da Bindung ein essenzielles, psychologisches Grundbedürfnis ist (mehr zu Bedürfnisse findest du hier) fühlen sich alle motivierter.
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