Menschen treffen überall aufeinander und schnell kann Unverständnis, beispielsweise über eine Projektdeadline, unerfüllte Sehnsüchte, herumliegende Socken oder unerreichbare Erwartungen an jemanden entstehen. Das Unbewusste spielt dabei eine größere Rolle als wir denken.
- Warum so viel unter der Oberfläche brodelt und wie das Eisbergmodell mehr Klarheit gibt.
- Was passiert, wenn zwei Menschen aufeinander treffen und welche Konfliktschleifen können entstehen?
- Wie wir Verständnis füreinander aufbauen können, um Konflikte noch nicht einmal entstehen zu lassen.
Das lernst du heute im Blog und als Audio Fully Connected Podcast.
Die Frustfalle
Zwei Kollegen bearbeiten gemeinsam ein Projekt. Lisa ist frustriert. Noch immer hat sie die Daten von Johannes nicht erhalten, die sie braucht, um die Datenschutz Präsentation fertigzustellen.
Sie schreibt ihm eine Email, in welcher sie versucht freundlich aber genervt zugleich ihrem Ärger Luft macht.
„Hi Johannes, ich habe leider immer noch nicht deine Daten erhalten und jetzt hängt die Deadline in der Luft. Ich mach es jetzt halt selbst. Grüße Lisa.“
Johannes erhält die Email und fühlt sich auf den Schlipps getreten. Er denkt sich: „was soll das denn jetzt? Sie stellt es dar, als ob ich nicht verlässlich bin? Ich habe so viel zu tun und meine Frau ist krank und ich muss das Kind noch zur Kita bringen und abholen. Das ist echt nicht okay.“
Er ignoriert ihre Email und das Gefühl von Schuld und versucht für ihn dringendere Aufgabe zu lösen. Aber die Email nagt an ihm.
Beide lässt es nun aber nicht los, dass sie eigentlich ein Ziel bzw. ähnliche Ziele haben, denn sie haben ihr Projekt zu beenden.
Was passiert nun zwischen den beiden?
Man kann dies erst mal auf individueller Eben anschauen.
Das Eisbergmodell verdeutlicht dies sehr gut.
Der bekannteste Eisberg stammt natürlich aus dem Film Titanic. Auf der Oberfläche sieht man einen Bruchteil dessen, was unter der Oberfläche liegt. Und schon ist das Desaster in einem Augenblick der Unaufmerksamkeit passiert.
Zwischenmenschlich sehen wir an der Oberfläche folgende Dinge:
ZDF – Zahlen, Daten, Fakten.
Dazu noch Kleidung, Aussehen, Größe und wenn wir uns schon kennen Berufsbezeichnung und gegebenenfalls sogar ein paar geteilte Erfahrungen.
Dies scheint auf den ersten Blick schon sehr viel Information zu sein, die wir über jemand anderen haben oder auch selbst nach Außen zeigen.
Jedoch bei genauerem Hinsehen, fällt auf, dass unter dieser Oberfläche noch ein Menge an Information über diese Person gibt, die nicht offensichtlich ist.
Dort sind Erfahrungen, Gefühle, Ängste, Sorgen, Geheimnisse, Konditionierungen, Träume und Ziele, sogar Traumata gespeichert, die oft der Person selbst nicht bewusst sind.
Das Unterbewusstsein macht bis zu 85% des Seins aus.
Das heißt im Umkehrschluss nur 15% sind einem selbst oft bekannt und anderen auch.
Wie verbinden sich Menschen?
Es wäre ziemlich einfach, wenn wir immer nur die ZDF- Logik anwenden könnten. Wir stimmen zu, dass es eine Deadline gibt, die Daten bekomme ich bis zum 3.4. von meinem Kollegen Johannes und dann beende ich das Projekt damit.
Nun so einfach ist es, wie wir gesehen haben, nicht.
Die Geschichten hinter einer Person sind tiefgründig:
Johannes fühlt sich gerade mit der Menge an Aufgaben überwältigt. Er trägt zuhause und im Job die Verantwortung und weiß nicht, wie er es allen Recht machen kann.
Dazu kommt noch der Anspruch an sich selbst, die Aufgaben detailliert und perfekt abzugeben, da er Angst hat, nicht gut genug zu sein. Diese Konditionierung hat er sich angeeignet, da sein Vater ihm immer Druck gemacht hat, dass er besser sein muss, damit „etwas aus ihm wird.“ Er dachte, wenn er es perfekt macht, bekommt er die Anerkennung, die er sich so sehr wünschte.
Seine Reaktion, wenn er es nicht bekommt oder nicht das Gefühl hat, dass er genügend tut, ist Rückzug. Er fühlt sich dazu gerade ohnmächtig und hat dazu nie gelernt, dies auszudrücken, weil er sonst als „schwach“ gelten könnte.
Lisas Bedürfnis nach Verlässlichkeit (ihre Präsentation pünktlich abzugeben) rührt daher, dass ihre Mutter sie mehrmals viel zu spät von der Schule und Hobbies abgeholt hat. Dies hatte zur Folge, dass sie heute weniger Menschen wirklich vertraut und übernimmt als Konsequenz deswegen Aufgaben von anderen, damit sie nicht als unverlässlich da steht.
Diese beiden Anteile, die unterhalb der Oberfläche brodeln können einem selbst bewusst sein und man möchte diese „verletzliche“ Seite nicht offenbaren. Oder diese Hintergründe sind einem selbst nicht bewusst, sondern man reagiert aus der Konditionierung heraus und geht weit über die tatsächlichen Zahlen, Daten und Fakten hinaus.
Entscheidungsprozesse, wie ich nun selbst reagiere, kann man deswegen gut mit Eisbergen vergleichen.
Zwei Eisberge treffen aufeinander
Treffen nun zwei Eisberge aufeinander, passiert folgendes:
Aufgrund von unserer urmenschlichen Anlage, reagiert erst einmal das Gefahrenzentrum im Gehirn. Unsere Amygdala im Stammhirn sendet Alarm aus. Dieser zeigt sich oftmals in negativen Gefühlen in Form von Angst, Unruhe, Sorge, Wut, Ärger, Enttäuschung, Hilflosigkeit oder Ohnmacht.
Die Reaktion ist dann meistens: Angriff (also verbal zurückschießen), Rückzug (einfach rausgehen), Freeze (Schockstarre und nicht wissen, was man entgegnen soll). Dies soll für Sicherheit bzw. Überleben sorgen. In der Vergangenheit war dies für uns überlebenswichtig.
Jedoch kämpfen wir heute meist nicht mehr um das Überleben.
Heute geht es darum, dass z.B.
- die Sorge besteht, dass ich mein Projekt nicht beenden kann,
- wenn ich Angst habe, dass mich jemand verlässt oder
- ich mich verteidige, weil mir jemand negatives Feedback zu meiner Präsentation gibt.
Der präfrontale Cortex, unser rationaler, der jüngere, intelligente Anteil im Gehirn, der für Analyse, Planung und bewusstes Verhalten zuständig ist, braucht einige Zeit länger, um das Erlebte zu verarbeiten und dazu bewusster zu reagieren.
Deswegen wirkt im ersten Moment alles bedrohlicher, als mit Abstand.
Der Konfliktschmetterling nach Dr. Ernest Richter
Wenn nun zwei Eisberge aufeinander stoßen, greift das Gesagte oder Verhalten der einen Person, erst einmal die untere Fläche des Eisbergs der anderen Person an.
Diese, wenn dies nicht bewusst verarbeitet wird, reagiert dementsprechend aus dem Sicherheitsmodus impulsiv und es wird etwas getan oder gesagt, was potenziell irrational ist.
Wie zum Beispiel die Reaktion von Lisa, die Aufgabe dann einfach selbst zu übernehmen, aber dabei die ganze Zeit Ärger zu verspüren.
Diese Reaktion kommt dann auch wieder im unteren Teil des Eisbergs der anderen Person an und somit kann sich ein Konfliktschmetterling (siehe Abbildung) bilden.
Wie kann Konsens entstehen?
Folgende Tipps helfen:
- Starte bei dir selbst. Erst mal sind wir selbst für unsere Gefühle und Verhalten, sowie Reaktionen verantwortlich.
- Werde aktiv. Scheine das Licht in den Eisberg. Werde dir deiner unbewussten Anteile bewusst.
- Entdecke und manage Konditionierungen. Das sind z.B. alte Konditionierungen wie innere Kind Anteile (nicht geliebt fühlen, sich anpassen, überzeugt sein, dass alle einem was böses wollen), Reaktionen auf Kritik, Zeichen von negativen Gefühlen und den darunterliegenden Bedürfnissen erkennen.
- Stärke dich. Entdecke deine Ressourcen: Intuition, Ressourcen, Werte, Stärken, Träume und Ziele scheinen lassen.
Tipps in Beziehungen zur Konfliktlösung oder Vermeidung:
- Atme kurz durch. Lass Raum entstehen, um mit deiner Eisbergoberfläche sachlich auf die Lage zu schauen.
- Transparenz und Offenheit kreieren Vertrauen. Je transparenter du kommunizierst, desto klarer kann dich dein Gegenüber verstehen.
Ein Lösungsansatz: Wertschätzende, konfliktfreie Kommunikation
So könnte auch Lisa zu Johannes sagen:
Beobachtung: „Ich hatte dich gestern gebeten mir die Daten zu schicken und habe sie noch nicht erhalten. (können beide zustimmen)
Emotion: Das macht mich nervös und unruhig. (sie teilt ihm mit, was das in ihr auslöst)
Bedürfnis: denn ich möchte das Projekt pünktlich und verlässlich bei meiner Chefin abgeben (Ihre Bedürfnisse Verlässlichkeit und Pünktlichkeit werden formuliert).
Wunsch: kannst du mir bitte bis 16Uhr die Daten schicken oder mir sagen, was es braucht, damit das Projekt beendet werden kann?“ (sie äußert klar ihren Wunsch).
Die ganze Zeit redet sie sachlich von sich und lädt ein, ihre Ansicht und Welt wertschätzend zu verstehen.
Mit dieser Antwort unterbricht sie den Schmetterling, denn Johannes weiß, warum Lisa die Daten braucht und was ihre Bedürfnisse sind.
Er kann ihr nun antworten:
„Ich habe die Daten noch nicht geschickt, weil ich gerade etwas überfordert bin, denn meine Frau ist krank und ich habe noch zwei Deadlines. Ich möchte die Daten perfekt abgeben, allerdings schaffe ich das nicht bis 16Uhr. Können wir hier eine Lösung finden?“
Lisa kann dann entgegnen: „ich brauche an sich erst mal Zeile A-C, dann kann ich weiterarbeiten.
Alles weitere reicht dann bis morgen.“
Dieses Beispiel der „gewaltfreien Kommunikation“ wird auch nochmal im Podcast und Blogartikel hier erklärt.
Mit der gewaltfreien Kommunikation entsteht nicht nur Bewusstsein über sich selbst, sondern der Konsens wächst und die negative Emotionalität wurde herausgenommen.
Dadurch fruchten Motivation, Verbindung, Empathie und auch wieder Zieleffektivität.
Dies können wir in allen Lebenslagen anwenden, wenn wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen:
Jede/r hat einen eigenen Eisberg und ich kann selbst den Schmetterling stoppen, wenn wir Raum schaffen und durchatmen.
Für Verbindung, Wachstum und Gemeinschaft.
Hier nochmal unterhaltsam zum anhören und wenn dir der Artikel und Podcast geholfen hat, lass mir doch gerne eine positive Bewertung da und teile ihn gerne. Das freut mich sehr. Danke!
Weitere Plattformen meines Podcasts:
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Musiccredit: Filmora
Fotocredit: Katrin Winner